Die Askese, Teil 1

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Für den Fortschritt auf dem Weg der Nachfolge Christi ist eine sinnvolle Askese sehr hilfreich, denn es ist nicht zu übersehen, daß wir uns während unseres ganzen Lebens in einem Kampf befinden, den wir mit der Gnade Gottes gut durchführen sollten. Dieser Kampf findet auf mehreren Ebenen statt. Heute möchte ich auf eine Art Grundgerüst für diesen Kampf eingehen, die Askese.

Bei diesem Wort mögen manchen Menschen ein mulmiges Gefühl bekommen, wie wenn man vom Fasten, von der Nachtwache und ähnlichen geistlichen Übungen spricht. Doch entsprechen diese Empfindungen nicht dem tiefen Sinn, und damit auch nicht der geistigen Schönheit der Askese. Wie alles, was Gott zu unserem Heil vorgesehen hat, ist auch die Askese in diesen Heilsplan eingebunden. Um von Anfang an Mißverständnisse zu vermeiden, spreche ich von einer sinnvollen Askese, also nicht von übertriebenen Maßnahmen, die für unseren Weg nicht fruchtbar wären, und die, wenn sie nicht richtig eingeordnet sind, uns sogar schaden können. Die Askese, als Kampf oder Anstrengung, ist in der rechten Weise ausgeübt ein sehr würdiger Vorgang, denn sie soll helfen, die Herrschaft über uns selbst zurückzugewinnen.

Warum ist die Askese nötig?

Mit dem Sündenfall verbunden – als sich das Geschöpf gegen seinen Schöpfer auflehnte (vgl. Gen 3), ist eine tiefliegende Unordnung in unserem Wesen entstanden. Gott hatte in seiner Weisheit alles wunderbar für den Menschen geordnet. Unser Geist sollte unter seiner Anleitung die Richtung des Willens bestimmen und unsere natürlichen Antriebe dazu in den Dienst nehmen. Durch die Sünde geriet jedoch unserer „innerer Kosmos“ in Unordnung. Die Triebe (Leidenschaften) begehren gegen den Geist auf und der geschwächte Wille unterliegt oft. Der Heilige Paulus sieht, daß ein anderes Gesetz in seinen Gliedern ihn gefangen hält im Gesetz der Sünde (vgl. Röm 7,23), “denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich.” (Röm 7,19).

Es geht also darum – in Mitwirkung mit der Gnade Gottes – wieder Herr im eigenen Haus zu werden und sich mit Freude und leichter dem Willen Gottes zur Verfügung zu stellen. Dabei ist immer zu realisieren, daß wir „gefallene Menschen“ sind. Eine Askese wird in der Ewigkeit nicht mehr nötig sein, da wir dann für immer in unserer Entscheidung für Christus feststehen und nicht mehr auf allen Ebenen der Versuchbarkeit ausgesetzt sind. Welch wunderbare Zukunft! Jetzt aber braucht es noch den Kampf.

Wenden wir uns zunächst etwas grundlegender der Askese zu:

Askese ist der Kampf, bzw. die Zügelung unserer sinnlichen Neigungen. Wir müssen lernen, sie zu beschneiden, ihnen eine Ordnung zu geben, in der diese vitalen Kräfte sich positiv entfalten können und nicht zerstörerisch werden. Dazu muß es uns bewußt sein, daß diese in der Regel immer über das gesunde Maß hinausgehen, wenn man sich einfach den natürlichen Antrieben überläßt,. Die Spannkraft der Seele wird dadurch geschwächt, denn nun gilt es die „Übertretung“ zu verarbeiten. man ist in Zerstreuung geraten, es muß wieder aufgeholt werden, man muß die „Scherben“ einsammeln…

Die Spannkraft der Seele:

Werden wir uns klar, daß unsere Seele ihre Heimat in Gott hat. Nichts möchte sie mehr, als bei Gott zu sein. Dort wird sie ja auch in der Ewigkeit – völlig gereinigt, mit einem gewandelten Leib beschenkt in der immerwährenden Anschaung Gottes leben. Sie sehnt sich aber auch schon auf Erden nach der Gemeinschaft mit Gott. Am liebsten hätte sie, daß ihr „geistige Flügel“ wachsen, um sich leicht zum Herrn aufzuschwingen. Doch der Mensch lebt noch mit der Last der Erbsünde.

Gott erbarmt sich über den Zustand der armen Seele, fern ihrer Heimat. Er sendet seinen Sohn, damit der Mensch erlöst wird, sich mit seiner Hilfe aufrichtet und sich immer mehr der ursprünglichen Schönheit nähert, mit der Gott ihn aus Liebe ins Leben gerufen hat. Durch die Begegnung mit ihrem Erlöser und seiner Gnade kann nun die Seele gegen jene Neigungen angehen, die sie hindern, sich auf den Herrn auszurichten. Je mehr und je feiner sie darauf achtet, desto leichter fällt es ihr  – im Sinne unserer heutigen Betrachtung – nicht von ihren natürlichen Bedürfnissen und Neigungen  eingenommen zu sein.

Ihre Spannkraft hingegen wird gestärkt durch alles, was mit Gott zu tun hat: durch das Gebet, das Wort Gottes, die Sakramente, den sorgfältigen inneren Weg usw. Die Seele wird jedoch geschwächt, wenn die natürlichen Bedürfnisse unvernünftig und überzogen wirksam werden. Die Seele klebt dann sozusagen am Boden, eingebunden in die sinnliche Sphäre.

Damit die Seele in ihren Kräften des Verstandes, des Gedächtnisses und des Willens sich leichter auf die Weisungen Gottes einlassen kann, ist es daher nötig, die Askese zu üben, um der gefallenen Natur klug die Zügel anzulegen. Unser Geist soll also der Reiter sein, der die Pferde lenkt, damit diese nicht mit uns durchgehen.

Das bedarf einer dauernden Anstrengung, denn die sinnlichen Neigungen sind wie kleine, noch unerzogene Kinder, die in ihre Schranken gewiesen werden müssen, ohne diese jedoch zu brechen!

Um es an einem Beispiel aus dem Alltag zu veranschaulichen: Man hat zuviel gegessen und getrunken, weit über das vernünftige Maß hinaus. Jeder kennt die Folgen: Trägheit des Körpers, die Seele wird stumpf, der Geist müde.

Die Wachsamkeit der Askese vermeidet dies, damit unsere Seelenkräfte nicht absorbiert werden, sondern wir leicht auf Gott ausgerichtet bleiben. So kann man gut verstehen, wie uns eine richtig angewandte Askese auf unserem Weg mit dem Herrn zu Hilfe kommt.