Die Askese der Gedanken, Teil 1

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„Verkehrte Gedanken trennen von Gott!“ (Weish 1,3)

Mit der Tugend der Mäßigkeit versuchen wir, die sinnlichen Neigungen, welche Disharmonie in unserem Leben hervorrufen, mit der Hilfe Gottes zu ordnen. Dabei fällt der Askese der Gedanken eine wesentliche Aufgabe zu, damit wir auch die Herrschaft über unsere Gedanken gewinnen und ihnen nicht einfach wehrlos ausgeliefert sind.

Wie bei allen asketischen Übungen ist es wichtig, sich den tieferen Sinn dieser Bemühungen vor Augen zu halten. Es geht bei der Askese der Gedanken darum, daß wir aus der großen Zerstreutheit und gedanklichen Fremdbestimmung aufbrechen und unter der Führung des Heiligen Geistes eine weitgehende Herrschaft über unser Denken gewinnen. Da sich auch unser Denken aus Liebe zu Gott seinem Willen unterordnen möchte, ist die Frucht einer gelungenen asketischen Übung das Wachstum in der Liebe zu Gott, welche uns als Folge auch fähiger macht, die Menschen zu lieben.

Schon vor Jahrhunderten erklärte der heilige Mönchsvater Benedikt, daß böse Gedanken am Felsen Christi zerschmettert werden sollen!

Wenn wir aufmerksam dem Herrn nachfolgen wollen, dann können wir uns weder bösen Gedanken, noch einfach auf uns einströmenden Gedanken überlassen! Es gilt zu unterscheiden, welchen Gedanken wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen und welchen nicht, welche Gedanken wir bewußt denken und entfalten und welche es nicht wert sind.

Auch ist zu lernen, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann man welchen Gedanken Raum gibt.

Geht man in die Schule der Gedankenaskese, dann nimmt man immer sensibler wahr, daß auch durch unnütze Gedanken der Spannkraft der Seele Schaden zufügt wird.

Aus geistlicher Sicht sind Gedanken besonders dann gut und fruchtbar, wenn sie uns stärker und inniger mit Gott verbinden, d.h. die Liebe zu Gott und zu den Menschen vertiefen. Ein geisterfülltes Denken ist somit die konkrete Umsetzung des ersten Gebotes:

„Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ (Dtn 6,5)

Wenn wir den Weg der Gedankenaskese beschreiten, stellen wir schnell fest, wie viele falsche, schädliche, illusorische, selbstbezogene und eitle Gedanken uns beherrschen wollen, und sich in unserem täglichen Denken niederschlagen. Sie tragen erheblich zu unserer Desintegration bei. Wie viele nutzlose Diskussionen und Gespräche führen wir in unserem Inneren! Wie viele „Hirngespinste“ befinden sich dort! „Hirngespinste“ nennen die geistlichen Väter in der ostkirchlich-asketischen Tradition die Flut von täuschenden Gedanken, ausufernden Phantasien, irrealen Vorstellungen usw., mit welcher es der Mensch in seinem Inneren zu tun hat.

Dabei ist die Gedankenflut häufig nicht freiwillig, sondern beschäftigt den Menschen unfreiwillig. Sie stört leidvoll das Gebet, die innere Sammlung, und sie vermag den Gesamtzustand der Seele zu schwächen, was die Folge des erbsündlichen Zustandes ist!

Die Abwehr von bösen Gedanken:

Alle freiwilligen, d.h. bewussten, Gedanken, die im Widerspruch zu Gott und den Menschen stehen, sind grundsätzlich zu bekämpfen. So wie ich in der Nachfolge Christi jede böse Tat vermeide, mir u.U. Gewalt antun muß, um nicht in eine Versuchung einzuwilligen, so ist es auch mit den Gedanken. Diese gehen der bösen Tat in der Regel voraus und bereiten den Weg zur Ausführung und Umsetzung. Deshalb bin ich gerufen, aufmerksam über meine Gedanken zu wachen und jedes Mal einem bösen Gedanken zu wehren, indem ich den Namen Jesu oder den Heiligen Geist anrufe oder ein ähnliches geeignetes geistliches Mittel anwende, um solche Gedanken zu vertreiben. Auf diesem Weg verweigere ich den bösen Gedanken meine willentliche Zustimmung – und dies ist entscheidend! Hier handelt es sich nicht etwa um Verdrängung von Gedanken, die uns z.B. noch un- oder halbbewußte Gefühle und wesentliche Inhalte nahe bringen wollen. Die Abwehr von bösen Gedanken geschieht durch die Anrufung des Namens des Herrn, der durch seinen Geist diese in uns berührt und auflöst. Sie werden daher nicht in das Unbewußte verdrängt, wo sie ihre zerstörerische Tätigkeit unerkannt weiter entfalten könnten.

Es ist zu unterscheiden, ob mich z.B. böse Gedanken heftig und wie unvorbereitet anfallen und eine Art diktatorischer Herrschaft über mich ergreifen wollen oder ob sie mehr oder weniger langsam in mir aufsteigen und als Verlockung oder Störung präsent sind.

Im ersteren Fall handelt es sich häufig um direkte Angriffe von satanischen Mächten, im zweiten Fall sind es meist Gedanken, die aus meinem Herzen aufsteigen, wobei es auch ein Zusammenwirken geben kann! Es können ungute Gedanken aus dem Herzen kommen, die von dämonischen Mächten dann zu quälenden verstärkt werden, die sich z.B. zu intensiv (selbst-) anklagenden Gedankengebäuden auftürmen, um den Menschen zur Verzweiflung zu führen.

Im ersten Fall, bei direkt dämonischen Angriffen, gilt es sich sofort mit dem Worte Gottes zu wappnen, den Namen des Herrn anzurufen, u.U. auch ein geeignetes Absagegebet an die Mächte des Bösen zu sprechen. Meist kehrt mit einer solch entschiedenen Haltung und Kampfbereitschaft nach einiger Zeit Ruhe ein und die Seele gewinnt ihren Frieden zurück! Gott lehrt uns durch solche Zulassungen große Wachsamkeit und es wächst das feste Vertrauen auf seine Stärke und Gegenwart.

Im zweiten Fall, bei den Gedanken, die aus dem Herzen aufsteigen, dauert der Kampf in der Regel länger, denn jetzt geht es nicht nur um die kurzzeitige Abwehr dieser bösen Gedanken, sondern um eine dauernde innere Zuwendung zu Gott. Das beharrliche Anrufen seines Namens schwächt die Kraft der bösen Gedanken und gleichzeitig geschieht in unserem Inneren eine Öffnung für den Heiligen Geist. Gott nutzt diesen Umstand, um unser Herz zu reinigen und liebesfähiger zu machen.

Beide Weisen des asketischen Ringens können jedoch nur dann gelingen, wenn ich in meinem Herzen nicht in die bösen Gedanken einwillige, nicht mit ihnen diskutiere oder gar „verhandle“, mich ihrem evtl. Reiz aussetze, oder denke, daß sie eine Berechtigung haben. Nur in einem solchen Fall der „Verweigerung des Dialogs“ mit ihnen ist die Kraft vorhanden, diesen Kampf gegen die zerstörerischen Gedanken im Herrn zu führen und sie zu überwinden. Andernfalls bin ich von innen heraus geschwächt, denn es besteht u.U. noch eine geheime Zustimmung, die es mir dann unmöglich macht, mich entschieden genug zu distanzieren und die entsprechenden geistlichen Mittel zu ergreifen.

Es kann wirklich zu schweren Kämpfen kommen, je nachdem, wie stark die dämonischen Angriffe oder die inneren Bindungen sind. Gottes Gnade stärkt uns jedoch in dieser Auseinandersetzung und befähigt unseren Willen, sich von den unguten Gedanken loszureißen und sich ihm zuzuwenden. Man darf in diesen Kämpfen den Mut nicht verlieren, auch wenn man nicht immer als Sieger hervorgeht. Es wird uns jedoch auffallen, wo bei einer Niederlage der Fehler lag, und uns soll uns entschlossen machen, das nächste Mal wachsamer zu sein. Auf keinen Fall darf man resignieren. Wenn uns Gott solche Kämpfe zumutet, dann ist es ein Zeichen, daß er begonnen hat, uns in einen tieferen Weg einzuführen. In diesem Zusammenhang ist noch anzudeuten, daß solche Kämpfe nicht nur der persönlichen Reinigung und Festigung der Seele dienen, sondern darüber hinaus verschiedene Bedeutungen haben können, die ein andermal zur Sprache kommen werden!