Die Tugend der Klugheit, Teil 1

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„Der Herr ist es, der Weisheit verleiht und aus seinem Munde kommen Klugheit und Weisheit“ (Spr. 2.6)

Die Tugend der Klugheit wird als Lenkerin der Tugenden verstanden, denn sie hilft uns, die jeweiligen Tugenden klug und besonnen anzuwenden! Wir lernen, die Dinge angemessen zu beurteilen, und auf welche Weise wir sie dann in rechter Weise verwirklichen!

Wenn wir auf die Betrachtung der bisherigen Kardinaltugenden zurückschauen, sowie auf die Askese der Gedanken, ist es die Klugheit, welche uns hilft, alles in besonnener Weise zu tun!

Die Tugend der Tapferkeit z.B. muß in der Verwirklichung der richtigen und wertvollen Werte eingeübt werden! Würde die Tapferkeit für wertlose Dinge, als Schaueffekt, oder gar für böse statt für hohe Ziele eingesetzt, dann verlöre sie ihren Sinn!

Auch bei der Auswahl der Gedanken, welche wir durch die Askese einer Prüfung unterziehen, ist die Klugheit die Führerin!

Die Klugheit steht in einer inneren Verwandtschaft zur Weisheit! Während die Weisheit als höchste Gabe des Geistes ein „wohlschmeckendes Wissen“ von Gott ist, welches Gottes Liebe geistig verkostet, ist die Tugend der Klugheit das ausführende Organ; d.h., sie drängt, das, was die Weisheit rät, ins Werk zu setzen; also die Umsetzung der Liebe des Herrn in die Tat!

Das betrifft auch die irdische Wirklichkeit, denn diese ist ja gut geschaffen! Da die Klugheit vom Gewissen her auf das Gute ausgerichtet ist, will sie auch das Gute verwirklichen und tun. Freilich gibt es da die erbsündige Schwierigkeit, daß unser Verstand verdunkelt ist und daher das Gute oft nicht genügend erkennt, sich täuschen läßt oder es verwechselt!

Deshalb gilt es, zur Anwendung der Klugheit verschiedene Punkte zu beachten:

1. Sein Gedächtnis (Memoria) sollte sich an die Wahrheit der Dinge dieser Welt erinnern, diese also nicht  durch das Ja oder Nein des eigenen Willens, also der eigenen Interessen, verfälschen.

2. Jeder kluge Mensch sollte belehrbar (Docilitas) bleiben, d. h. sich auch etwas sagen lassen können, da der Kluge den Willen zur wirklichen Erkenntnis besitzt. Das schließt eine gute Portion an Demut mit ein. Denn die Unbelehrbarkeit und die Besserwisserei sind Formen der Zurückweisung der Wahrheit der Wirklichkeit.

3. Der Mensch entscheidet sich in seinem „vollendeten Können“ (Sollertia) rasch für die Umsetzung der als richtig erkannten und begründeten Erkenntnis und stellt sich damit gegen die Ungerechtigkeit, die Feigheit und die Maßlosigkeit. Das gehört zur „Tugend der Sachlichkeit im Unvermuteten“.

4. Die Klugheit vollzieht sich auch in der Voraussicht (Providentia), indem sich der Mensch fragt, ob der eingeschlagene Weg auch zum erhofften Ziele führt. Von der Voraussicht leitet die Klugheit auch ihren Namen Prudentia ab.

Zur Memoria: Hier geht es darum, die Dinge oder auch Umstände in ihrem objektiven Sein zu erfassen, also nicht darum, ob ich sie mag oder nicht mag, und von diesen Gefühlen her Stellung nehmen!

Wir hören z. B. Gerüchte über einen Menschen, wissen aber gar nicht, ob sich die Sachlage wirklich so verhält! Oft reagiert man schon auf diese Gerüchte, die dann unsere gefühlsmäßige Stellungnahme bereits einfärben, worauf wir dem Menschen nicht mehr frei begegnen können!

Objektiv gesehen wissen wir aber gar nichts! Wenn wir uns von der Klugheit leiten lassen, dann leihen wir bestimmten Gerüchten nicht unsere besondere Aufmerksamkeit, sondern fragen nach der Sachlichkeit: Was ist wirklich gewesen? Ist das wichtig zu wissen?

Zur Dolicitas: Das Lernen von Gott selbst steht im Vordergrund, gefolgt vom Lernen aus der Erfahrung, einschließlich der begangenen Fehler, denn es geht ja darum, die Dinge richtig zu tun! Hinzu kommt, daß wir durch den Rat von Menschen lernen können, besonders von erfahrenen Ratgebern, die wir je nach der Gewichtung der anstehenden Dinge aufsuchen können! Manchmal kommt auch unverhoffter Rat durch einen anderen Menschen, den ich gar nicht aufgesucht habe. Oder aber ich lese in einem Buch etwas, was mir in der entsprechenden Situation den Weg zeigt!
Wichtig ist die Hörbereitschaft, zusammen mit der Gabe der Unterscheidung. Letztere ist in bestimmten Situationen anzuwenden, um einen guten von einem falschen oder schlechten Rat zu unterscheiden!

Zur Sollertia: Wenn wir alles klug erwogen haben und zur rechten Erkenntnis gelangt sind, ist es wichtig, dies auch umzusetzen! Hier gilt es, nicht mehr zu zögern, während wir in Bezug auf die rechte Erkenntnis nicht zu schnell und unbesonnen sein sollten! „Sachlichkeit im Unvermuteten“ bedeutet, daß die Klugheit auch wirksam wird, wenn die Situation nicht vorausschaubar ist und ein rasches Handeln erfordert! Die Sachlichkeit heißt, eben diese Situation in ihrer Objektivität zu erkennen und sich nicht von den eigenen Interessen leiten zu lassen!

Providentia: Bedenke das Ende der Dinge bevor Du handelst! Das ist eine Weise, nicht aus den Empfindungen und kurzfristig zu handeln, sondern die Dinge klug bis zu Ende zu denken!

Wir werden morgen noch einige weitere Aspekte dieser wunderbaren Tugend betrachten, denn die Klugheit soll uns begleiten und führen, damit unser Weg mit dem Herrn immer besonnener wird und gleichzeitig im Heiligen Geist die rechte Dynamik vorhanden sei!