Existenzielle Umkehr, Teil 2

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Gestern haben wir begonnen, erste Aspekte einer existenziellen Umkehr zu betrachten!

Es handelt sich um eine ganze Umkehr, eine grundsätzliche Entscheidung, sich Gott ganz zu schenken und auf seine Liebe zu antworten! Sie ist also nicht das Erblühen einer ersten zarten Liebe zu Gott, eines beginnenden Erkennens der Güte Gottes, die zur Umkehr rufen. Sie ist auch nicht eine noch unentschiedene, wankende Haltung, ob man den Glauben für sich verbindlich annehmen soll oder nicht! Auch ist sie nicht eine einfach traditionelle Verbundenheit mit Jesus, ohne eine Entscheidung getroffen zu haben, ihm in allem zu folgen, also seine konkrete Nachfolge anzutreten!

Eine existenzielle Bekehrung ist eine klare, willensmäßige Entscheidung, Gott nichts vorzuziehen und sich in allem nach dem Willen Gottes zu richten; auch ist das Herz in diese Entscheidung schon so tief wie möglich einbezogen – es ist eben eine grundsätzliche Entscheidung, die das ganze Leben betrifft.

Schauen wir uns einmal einen sehr kritischen Befund über den Zustand vor der Bekehrung an, welcher von P. Sladek niedergelegt wurde!

„Vor der Umkehr machen alle Menschen sich selbst zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie unterscheiden sich voneinander nur darin, in welcher Weise und in welcher Intensität sie ihre Ichhaftigkeit aufbauen und ausleben. In dem Zustand geht der Mensch in seinem Denken nur von sich aus und macht sich selbst – nicht aber die Wahrheit – zum Maßstab seines Denkens. Und sein Wollen und Streben zielt letzten Endes nur auf die Durchsetzung eigener Ansprüche, Forderungen und Ziele und auf die eigenwillige Befriedigung eigener Wünsche, Sehnsüchte und Begierden, ohne daß er sich dabei um Gottes Willen kümmert. Allgemeine Selbstherrlichkeit, Eigensinn, Eigenwilligkeit und Eigenmächtigkeit durchdringen das ganze Denken und Tun des Menschen und sind als Motiv auch noch dort wirksam, wo der Mensch Wahrheiten anerkennt und Gutes tut. Er tut es aber nur um seinetwillen und entscheidet daher selbstherrlich und von sich her, in welcher Weise und in welchem Ausmaß er die Wahrheit und den Willen Gottes anerkennen, oder sich über sie hinwegsetzen will.“

Nehmen wir von diesem Text besonders den Aspekt der Zentrierung auf das eigene Ich heraus, denn dieser kann durchaus in einem religiösen Leben noch sehr präsent sein, sogar in einem bewußt religiösen Leben, wie es z.B das Ordensleben oder die Priesterberufung darstellen! Hören wir noch einmal P. Sladek:

„Es handelt sich um eine Einstellung, die, um mit dem Apostel zu reden, „nach dem trachtet, was des Fleisches ist“ (Röm. 8,5), und um Menschen, die „nach dem Fleische leben“ (Röm 8,13), die „sich selber leben“ (Röm 14,7) und „das Ihrige suchen, nicht die Sache Jesu Christi“ (Phil 2,21). In dieser und in anderer Weise kennzeichnet die Hl. Schrift den inneren Zustand des Menschen vor der Umkehr. Diese Einstellung wird meistens als selbstverständlich, als naturgegeben oder gar als berechtigt angesehen, stellt aber die Urversuchung und die Ursünde eines jeden Menschen und die Wurzel aller anderen Sünden dar.“

Mit der ganzen Bekehrung muß sich – wenn wir dem Herrn die Führung über unser Leben übergeben und somit unser Leben ganz in seine Hände legen – die Bereitschaft verbinden, daß wir auch bereit sind, unsere ganze Grundeinstellung zu ändern! Erst dann vollziehen wir die existenzielle Umkehr, die dann für den gläubigen Mensch nach P. Sladek so aussieht:

„Die Hl. Schrift zeichnet aber auch das Bild des „Gerechten“, des gottwilligen Menschen, der die innere Umkehr vollzogen hat. Nach der Umkehr ist der Mensch darauf ausgerichtet, „sich gläubig, gehorsam und liebend dem Willen Gottes zu unterwerfen, wie Jesus ihn verkündet“ (Existenz S. 47). Sein Denken orientiert sich ständig an der Wahrheit und sein Wollen und Streben ist vom Willen Gottes geleitet. Mit der Hingabe seines Herzens hat der Mensch auch alle eigenen Wünsche und Neigungen vertrauensvoll Gott geschenkt. Diesen Zustand meint der Apostel Paulus mit dem neuen „Sein in Christus“, das „eine übernatürliche Neuschöpfung“ (S. 51) des Menschen darstellt.“

Es sind uns nun einige Kriterien genannt worden, an denen man erkennen kann, ob man die existenzielle Umkehr schon vollzogen hat oder nicht oder vielleicht auf dem Weg dorthin ist! Wenn man sich auch über den eigenen Zustand der Seele oft nicht richtig im Klaren ist und deshalb ein geistlicher Begleiter sehr hilfreich sein kann, so ist doch ein solcher nicht immer da und wir müssen auch selbst versuchen, unseren Zustand etwas zu begreifen!

Niemand soll sich entmutigen lassen, wenn er merkt, daß ihm zu dieser Qualität der Umkehr noch etwas fehlt, sondern es als Einladung verstehen, im Vertrauen auf Gott die nötigen Schritte zu tun und darum zu beten, sich ganz dem Herrn schenken zu können! Nicht vergessen: Derjenige, der uns in diese Umkehr ruft, schenkt auch die Gnade dazu! Wem der Mut fehlt, sich ganz auf den Herrn einzulassen, der bete um die Gabe der Stärke!

Vielleicht kann man dieses Thema so verstehen: So wie wir durch die Taufe als Kinder Gottes gerufen werden und die Grundlage von Gott für eine lebendige Kindschaft unsererseits gegeben ist, so ist die existenzielle Umkehr unsererseits die Grundlage, damit sich all die Gnaden, die mit der Taufe verbunden sind, auch entfalten können und wir mit Gott vereint werden.

Zusammenfassung:

  • Die existenzielle Umkehr ist ein Ruf der Liebe Gottes, auf den wir mit dem Willen und Herzen antworten!
  • Es gibt bei dieser Umkehr ein Vorher und ein Nachher!
  • Es geht nicht nur um die Verbesserung mancher Haltungen von uns, sondern darum, die ganze Grundeinstellung zu ändern! Der Wille Gottes ist der alleinige Maßstab!
  • Die existenzielle Umkehr durchdringt alle Bereiche des Seins – nichts ist davon ausgeschlossen! (Tut alles zur Ehre Gottes!)

 „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24).

 Dieser letzte Punkt wird uns morgen beschäftigen, es wird um unsere Veränderungsbereitschaft gehen!